Egalitarismus und Umverteilung
Egalitarismus bezeichnet ideologische Bestrebungen, soziale Gleichheit innerhalb der Gesellschaft herzustellen.
Dies kann zum Beispiel durch die Umverteilung von Geld (z.B. progressive Einkommenssteuer, Bürgergeld), das Sozialversicherungssystem (z.B. Kranken- und Arbeitslosenversicherung) oder durch die Verwirklichung von Chancengleichheit (z.B. kostenlose Bildung für alle) oder Chancengerechtigkeit geschehen (z.B. BAföG).
Die wichtigsten Stellschrauben bei der Umverteilung sind:
1. Das Steuersystem
- Die Einkommensteuer ist progressiv gestaltet, was bedeutet, dass Personen mit höherem Einkommen einen höheren Steuersatz zahlen. So tragen Personen mit hohem Einkommen überproportional zur Finanzierung des Staates bei.
- Die Umsatzsteuer, auch Mehrwertsteuer (MwSt.) genannt, trägt weniger zur Umverteilung bei. Sie wirkt oft regressiv, da Geringverdiener einen größeren Anteil ihres Einkommens für Waren ausgeben, die Umsatzsteuerpflichtig sind. Wer sein Einkommen in Aktien investiert oder privat eine Immobilie erwirbt, zahlt z.B. keine Umsatzsteuer.
- In Deutschland gibt es keine Vermögenssteuer, aber andere Instrumente wie die Erbschafts- und Schenkungssteuer tragen zur Umverteilung bei.
2. Das Sozialversicherungssystem
Das Sozialversicherungssystem in Deutschland wird paritätisch finanziert. Die Beitragslast wird fair zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgeteilt und dadurch die finanzielle Belastung für die Arbeitnehmer, insbesondere für Geringverdiener, reduziert.
- Die Gesetzliche Krankenversicherung stellt sicher, dass alle Bürger Zugang zu Gesundheitsdiensten haben, unabhängig von ihrem Einkommen. Während die Gesetzliche Krankenkasse solidarisch finanziert ist (Einkommensabhängige Beitragshöhe bis zur Beitragsbemessungsgrenze), entziehen sich die privaten Krankenversicherungen dem solidarischen System und tragen nicht zur Umverteilung bei.
- Die Pflegeversicherung hilft bei den Kosten für Pflege im Alter oder bei Pflegebedürftigkeit.
- Gesetzliche Rentenversicherung: Diese hat ebenfalls eine umverteilende Wirkung mit progressiver Beitragshöhe und einer Grundsicherung. Auch die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten, Pflegezeiten und Arbeitslosigkeitszeiten trägt zur Umverteilung bei.
- Die Arbeitslosenversicherung unterstützt Personen, die arbeitslos geworden sind, und hilft ihnen, wieder Arbeit zu finden.
3. Soziale Transferleistungen
Der Staat bietet verschiedene Transferleistungen an, um die Einkommenssituation der Bedürftigsten zu verbessern:
- Das Bürgergeld ersetzt seit dem 1. Januar 2023 das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und dient der Grundsicherung für erwerbsfähige Arbeitssuchende und bedürftige Personen. Es garantiert ein menschenwürdiges Existenzminimum und fördert die soziale Teilhabe sowie die Integration in den Arbeitsmarkt.
- Das Kindergeld reduziert die finanzielle Belastung von Familien mit Kindern.
- Das Wohngeld unterstützt einkommensschwache Haushalte bei den Wohnkosten.
4. Bildung, Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit
Der Staat fördert Bildung, Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit durch verschiedene Maßnahmen:
- Kostenlose oder stark subventionierte Bildung: Von der Grundschule bis zur Universität ist die Bildung weitgehend kostenfrei. Dies fördert Chancengleichheit, indem alle Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer sozialen Herkunft Zugang zu Bildung erhalten.
- Individuelle Fördermaßnahmen: Maßnahmen wie BAföG (staatliche Unterstützung für Studierende aus einkommensschwachen Familien) und gezielte Förderprogramme sollen Chancengerechtigkeit schaffen. Diese Maßnahmen gehen über die reine Gleichheit des Zugangs hinaus und stellen sicher, dass benachteiligte Gruppen spezifische Unterstützung erhalten, um ihre Bildungschancen zu verbessern.
5. Öffentliche Dienstleistungen
Der Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und Angeboten (Bäder, Bibliotheken, Musikschulen, Sporteinrichtungen, Parkanlagen, Museen, Theater, öffentlicher Nahverkehr) wird meist durch den Staat subventioniert. Dies trägt zur Umverteilung bei und ermöglicht breiten Schichten der Bevölkerung den Zugang zu Sport, Freizeit, Kultur und Mobilität.
Wer profitiert von der Umverteilung?
Die Reduzierung sozialer Ungleichheit bietet zahlreiche Vorteile für die ganze Gesellschaft.
- Verringerung sozialer Spannungen: Eine gerechtere Verteilung von Ressourcen kann soziale Spannungen und Konflikte reduzieren. Menschen fühlen sich eher als Teil der Gemeinschaft, wenn sie fair behandelt werden und gleiche Chancen haben. Gleiche Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten ermöglichen es mehr Menschen, ihr Potenzial zu entfalten und aufzusteigen. Wer keine Zukunftsperspektive hat, droht hingegen zum Sozial- oder Kriminalfall zu werden.
- Stärkung der Demokratie: Die politische Partizipation ist in Deutschland in hohem Maße von Bildung und Einkommen abhängig. Menschen mit besserer Bildung und gutem Einkommen beteiligen sich viel stärker am politischen Prozess, während sozial benachteiligte Menschen die Politik häufig als eine Veranstaltung politischer Eliten betrachtet. Gerechtigkeit und Gleichheit stärken das Vertrauen der Bürger in staatliche Institutionen und in die Demokratie.
- Erhöhte Produktivität: Menschen, die Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung haben, sind gesünder und produktiver. Dies kann die wirtschaftliche Leistung und den Wohlstand einer Gesellschaft steigern. Eine Gesellschaft, die ihre Bürger körperlich und psychisch krank macht, wird die Kosten für deren Pflege tragen müssen.
- Konsumnachfrage: Eine gerechtere Einkommensverteilung kann die Konsumnachfrage stabilisieren, da mehr Menschen die Mittel haben, um Güter und Dienstleistungen zu kaufen. Die Wirtschaft wird weniger von Exporten abhängig.
- Innovationskraft: Chancengleichheit in der Bildung kann dazu führen, dass mehr Talente entdeckt und gefördert werden, was die Innovationskraft einer Gesellschaft stärkt.
Kritiker des Egalitarismus betonen die Wichtigkeit der Leistungsgerechtigkeit. Je mehr Einkommen umverteilt wird, desto kleiner wird der Anreiz dafür, mehr zu leisten, um mehr zu verdienen.
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